Extinction Rebellion. #berlinblockieren

Vor etwas mehr als 20 Jahren, Mitte der 90er, las ich mal ein Buch mit dem Titel "Der Planet schlägt zurück: ein Tagebuch aus der Zukunft.". Das Buch ist heute nur noch schwer zu kriegen (ein paar Auszüge gibt es hier) und es war damals kurz vor der Jahrtausendwende für jeden ein Weltuntergang dabei. Der Datumswechsel für die IT-Branche und der allgemeine Weltuntergang, weil ein neues Jahrtausend anbricht, für allgemeine Sekten. Diese eine Buch stellte das Jahrtausendwende-Weltuntergangsszenario explizit für den Klimawandel bereit. In drastischer Weise passiert der Klimawandel und Kipppunkte und Rückkopplungseffekte führen zu Katastrophen, Kriegen und unzähligen anderen negativen Effekten für die Menschen. In dieser Stimmung damals war das Buch für mich mehr dystopische Science Fiction als Prophezeiung.

Fast Forward 2019. Ich habe mich am Dienstag (8.10.2019) zum ersten Mal von einem öffentlichen Platz, der Siegessäule in Berlin, von der Polizei räumen lassen. Ich war dort im Rahmen des Extinction Rebellion Klimacamps und #berlinblockieren. Über den Verlauf einer ganzen Woche haben Menschen, für die eine Demo alleine nicht mehr genügt, von ihrem Recht gebrauch gemacht sich zu versammeln und auf den Klimawandel hinzuweisen. Ich selbst war erst bei einigen Fridays for Future Demos dabei und meine erste wirkliche Demoteilnahme war gegen Artikel 13. Früher war ich vielen Themen gegenüber ignoranter und deshalb behaupte ich ein Experte zu sein, wenn es um Ignorieren geht. Deshalb erkenne ich, wenn ich selbst ignoriert werde. Und wenn ich mir in Erinnerung rufe, dass viele Menschen auf den Straßen und Brücken das erste Mal zivil ungehorsam waren und viele, wie ich, sonst nicht auf Demos waren, dann habe ich den Eindruck, dass es noch mehr Experten dafür gibt.

Viele auf den Demos und Blockaden fühlen sich ignoriert von der Politik. Wenn 1,4 Millionen Menschen auf die Straße gehen und freitags friedlich für 3 Stunden in der Stadt protestieren, dann scheint das nicht in der Politik anzukommen. Und wenn dieser Protest nicht ankommt, dann stellen erstaunlich viele Menschen sich die Frage: "Was soll ich noch tun?" Petitionen zeichnen, Briefe an Abgeordnete schreiben, die nicht ernst genommen werden, alle Jahre mal ein Kreuz machen, auf den vorgegebenen Wegen ist kein Ziel in Sicht. Um nicht weiter ignoriert zu werden muss offensichtlich ein anderer Kanal gefunden werden.

Extinction Rebellion fährt auf diesem anderen Kanal. Mit absoluter Gewaltlosigkeit gegenüber den Beteiligten jeder Aktion versucht die Bewegung Aufmerksamkeit für Klimaschutz durch Störung zu schaffen. In verschiedenen Formen organisieren sich Veranstaltungen mal mit Anmeldung, mal nur der Polizei gegenüber kommuniziert und manchmal ganz spontan. Aus der angemeldeten Demo am Potsdamer Platz wurde eine kommunizierte Blockade mit funktionierender Logistik für Essen und Trinken. Einige haben sich zusammengekettet und mehrere Stunden auf ihre Freiheit verzichtet. Nicht wenige sind bereit auch durch Verhaftung auf ihre Freiheit zu verzichten. In England waren das über 1500 Menschen die in erster Linie dafür einstehen gehört und ernst genommen zu werden. In Berlin hat die Zusammenarbeit mit der Polizei gut funktioniert und es gab keine Gewaltanwendung über den rechtlichen Begriff hinaus.

 

Wirklich alle, die bei den Aktionen mitgemacht haben, erkennen, dass der Klimawandel, so wie er sich in den letzten 20 Jahren präsentiert hat, das dringendste Problem ist. Alle fordern die wissenschaftlichen Ergebnisse ernst zu nehmen und auf dieser Grundlage die Zukunft für alle gerecht zu erhalten.

Auch Extinction Rebellion arbeitet mit der Botschaft des Untergangs. Der Unterschied zu dieser Botschaft heute und der des Buchs damals sind 20 Jahre erlebte Klimaveränderung. Heute noch zu leugnen, dass es Klimawandel gibt ist Ignoranz in Reinform. Den Klimawandel nicht dem Menschen zuschreiben zu wollen ist ein seltenes Beispiel, dass sich der Mensch doch nicht immer im Mittelpunkt von allem sieht.

 

Die Red Rebellion Brigade verunsichert zum Teil Menschen, wenn sie sie auf der Straße sehen.

- Bashing von allen Seiten